Als Person mit abgeschlossenem Informatikstudium wird man gerade auf Familienfeiern oft um Dienstleistungen angehauen. Zwischen „Warum lädt mein Handy nicht mehr?„, „Kannst du kurz meinen Drucker anschließen?“ und „Schreibst du dem Friseursalon meiner Tante eine Website?“ habe ich schon so einiges gehört. Ein Tipp für diese Situation: Den eigenen Stundenlohn nennen (natürlich mit Familienrabatt). Meist möchte die anfragende Person dann doch zuerst eine Suchmaschine bemühen.
Ein anderer Tipp ist es möglichst in einer fließenden Bewegung eine Pustefix-Flasche aus der Tasche zu ziehen und fröhlich ein paar Seifenblasen in die generelle Richtung des Fragestellenden zu pusten. Das Gesprächsthema ist schlagartig vergessen, Jung und Alt gleichermaßen sind verzückt von den Farben des Regenbogens und zu sehr mit dem „Fangen“ beschäftigt.
Wer wird denn da noch an die Arbeit denken, wo es doch nun gilt, unbeschwerte Kindheitstage aufleben zu lassen?
Zu verdanken haben wir diese Strategie der seifen-basierten Anverwandten-Ablenkung dem Chemiker Dr. Rolf Hein. Dieser machte 1948 in Tübingen eine folgenreiche Entdeckung. Er hatte eine neue Formel für ein Waschmittel entwickelt, welches allerdings schlicht und ergreifend zu sehr schäumte. Wer kennt es nicht, wenn eine Idee einfach zu gut funktioniert. Suffering from Success halt.
Er beschloss, sich davon nicht unterkriegen zu lassen und führte, ganz neudeutsch gesagt, einen Pivot durch: Statt im Waschmittelgeschäft durchzustarten, wechselte er kurzerhand ins Seifenblasengeschäft. Schließlich hatte er eine ideale und industriell herstellbare Mischung für Seifenblasen entdeckt!
Rolf Hein füllte die flüssige Seife in Flaschen ab, fügte eine Sprungfeder als Blasring hinzu und verkaufte das Produkt unter dem Markennamen Pustefix. Zunächst war er damit auf Wochenmärkten unterwegs und wurde mehrfach als Spinner abgetan. Davon lässt sich ein waschechter Neu-Gründer natürlich nicht verunsichern und innerhalb weniger Jahre entwickelte sich Pustefix zu einem Export-Schlager.

Jahre später fand dann auch der PUSTEFIX Bär seinen Platz auf den kleinen, blauen Flaschen. Die Seifenflüssigkeit wird übrigens nach wie vor am Tübinger Standort in Kilchberg abgefüllt, pro Jahr sind es etwa eine Millionen Liter. Zur Verpustung dieser Menge Seifenflüssigkeit bietet das Unternehmen neben ihrem Klassiker aus der Flasche inzwischen auch Blubber Seifenblasenmaschinen (mit multiplen Blasringen und Antrieb via Netzteil) an.
2023 feiert Pustefix das 75-jährige Unternehmens-Jubiläum, bis 2010 war es im Familienbesitz. Vor dieser Tradition an das Altbewährte anzuknüpfen aber dennoch mit Neuem erfolgreich in die Zukunft zu leiten wird sicherlich die nächste Herausforderung für die Tübinger Seifen-Sektion. Derzeit wird unter anderem auf eine zeitgemäße Betriebsausstattung, ausgerichtet an einem nachhaltigen Umweltgedanken gesetzt. So verwendet der gesamte Betrieb inzwischen energiesparende LED-Beleuchtung.
Klar, Pustefix bedeutet auch viel Plastik: Manche Artikel seien bereits aus Bio-Kunststoff, so Geschäftsführer Armin Christian. Aber das reiche nicht. Im Bereich der Materialherstellung müsse noch viel erforscht werden. Wir vom AUFnet gratulieren zum Jubiläum und sagen „Danke“ für die vielen schönen, seifenblasen-basierten Stunden.
Call for Käpsele
Die Geschichte der Region Baden-Württemberg ist maßgeblich geprägt durch das, was wir als Käpsele bezeichnen würden. Gemeint sind clevere Individuen, welche solche Rollen wie Tüftler*in, Denker*in, Gründer*in, Erfinder*in, Entrepreneur*in, Handwerker*in und besonders Anpacker*in in sich finden konnten und „eine g’scheiide Idee zu etwas g’scheiides gemacht haben“.
In der Rubrik [Käpsele damals] dieser Blogserie stellen wir eine handvoll dieser Käpsele und ihrer Ideen vor. Wir sind immer auf der Suche nach weiteren Inhalten: Welche Tüftelei- und Gründungsgeschichten aus dem Raum Reutlingen (oder Baden-Württemberg) haben dich besonders motiviert?
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Quellen
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[https://www.pustefix.de/rund-um-pustefix/geschichte-der-firma-pustefix/]
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[https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/pustefix-wird-75-100.html]
- [„Land der Tüftler und Denker: Die besten Erfindungen aus Baden-Württemberg“ – Andrea Jenewein, Frank Rothfuß und Justin Larutan, ISBN:3839220017]